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Kaum zu glauben: Peng! Kollektiv ruft zur Sabotage auf

[2,5 Min Lebenszeit] Die Künstlergruppe Peng! Kollektiv, ruft Werber:innen auf, Saboteur:innen der eigenen Arbeit zu werden. Sie sollen interne Informationen leaken, um Vorbereitungen zum Adbusting der Kampagnen bereits im Vorlauf zu ermöglichen. Kluger Schachzug für eine Gruppe, die schon diverse Adbusting-Kampagnen umgesetzt hat und deren täglich Brot diese Arbeit ist. Arbeiten, von denen einige tatsächlich auch großartig waren – wie zum Beispiel die Mach-was-zählt-Aktion mit Bezug zur aktuellen Bundeswehr-Kampagne. Man erleichtert sich die Arbeit ungemein, wenn man mit genügend Vorlauf und ohne Zeitdruck Ideen entwickeln kann. Chapeau für diesen genialen, strategischen Hackentrick. Das erklärte Ziel dabei: diabolische Werber:innen endlich zu mehr Verantwortung zwingen. Der Stolperstein: Verantwortung erzeugt man nicht durch verantwortungsloses Handeln.

Eigeninteressen statt glaubwürdiger Kritik?

Es bringt weder der Branche, noch dem Kunden, noch der Gesellschaft irgendetwas, wenn einzelne Kampagnen von innen heraus sabotiert werden. Im Gegenteil: Es sorgt für ein kurzes Strohfeuer, das am Ende nur einem dient: der Gruppe/Agentur, die die Adbusting-Kampagne dazu umsetzt. Die Offenlegung der Informationen untergräbt zudem die Glaubwürdigkeit von Werber:innen, die bereits das bekämpfen, worum es wirklich geht – fehlende Haltung. Das Peng! Kollektiv handelt also exakt nach dem Prinzip, das sie zu kritisieren versuchen: Sie stellen eigene Interessen über Gemeinwohl, Reichweite und Lautstärke über Nachhaltigkeit und Verantwortung.

Die Forderung der Künstlergruppe ist vollkommen berechtigt

Dabei ist die grundlegende Forderung des Kollektivs absolut richtig und sinnvoll: Die Kommunikationsbranche muss lernen, Haltung auch wirklich auszuhalten. Natürlich müssen wir hinterfragen, ob unsere Arbeit wertvoll ist. In einer Welt, in der News immer schwieriger oder als Fake News zu den Nutzer:innen durchdringen und Marken immer mehr Raum im Bewusstsein der Menschen einnehmen, dürfen wir Agenturen nicht länger unachtsam agieren. Wir müssen mit der Verantwortung, die unsere Kunden uns gegenüber der Gesellschaft übertragen, sorgsam und nachhaltig umgehen. Dazu gehört dann eben auch, dass wir lernen, unsere Kunden belehren zu dürfen/müssen, wenn Moral und Ethik auf der Strecke zu bleiben drohen.

Zu starke Wertedifferenzen erfordern einen Arbeitgeberwechsel

Wenn man sich illoyal gegenüber Kolleg:innen verhält, indem man sie oder ihre Arbeit sabotiert, schadet man nicht nur dem Projekt oder dem Team, sondern auch sich selbst. Anonyme Leaks hin oder her: in den zumeist kleinen, eng miteinander verwobenen Teams der deutschen Agenturlandschaft wüssten die meisten sofort, wer für etwaige Leaks in Frage käme. Das Team spürt schließlich, welche Kolleg:innen voll und ganz fürs Projekt brennen, welche zweifeln, welche sich unwohl fühlen oder welche vielleicht auch manchmal einfach berechtigt gelangweilt sind.

Illoyales Verhalten ist zudem nicht nur von professioneller Warte, sondern auch aus menschlicher Perspektive ein absolutes No-Go – schließlich hat man sich bewusst für den Arbeitgeber und somit für den Job und das Projekt entschieden. Spürt man bei der eigenen Arbeit zu starke Wertedifferenzen, wird man nie voll hinter dieser Arbeit stehen, ist am Ende unglücklich und das schadet erneut dem Projekt. Die eigene berufliche Zukunft kann man nach einem solchen Verrat, denn das ist das deutsche Wort für Leak, in unserer stets gut informierten Branche auf jeden Fall vergessen.

Agenturen-Sterben: Verantwortungsvolles Handeln als Überlebenstaktik

Das Belehren von Kunden zu mehr gelebter Verantwortung, die Suche nach dem Arbeitgeber, der meine Werte ebenso vertreten wird, wie ich es mir für jedes Projekt wünsche – das alles geschieht auch aus schnödem Eigeninteresse: Nur Marken, die sich nachhaltig und glaubwürdig auf positive Weise im Bewusstsein der Menschen verankern, werden in Zukunft relevant bleiben. Nur Agenturen, die das verstanden haben, werden in Zukunft Geld verdienen. Doch das geht nur, indem gesellschaftliche Anteilnahme von Marken zum Selbstverständnis wird: CSR dient nicht und diente nie nur zur Imagepflege, sondern muss so verstanden werden, wie Tim Höttges es auf der dmexco 2018 verkündete: „Take C.A.R.E. – Curiosity, Action, Responsibility, Experience.“ Nur wer wirklich verantwortungsvoll handelt, wird für langfristige Experience sorgen, also seine Interessengruppen langfristig binden – und das dann auch vollkommen berechtigt und mit bestem Gewissen.

DATUM: 30.04.2019
AUTOR: JOCHEN HEIMANN, MITGRÜNDER UND GESCHÄFTSFÜHRER VON FUTUR III