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Corona

Hilfe ist, wenn man trotzdem teilt: Warum diese Krise kein Geschäftsmodell ist

[3,5 Min Lebenszeit] Werte und die Visionen von Unternehmen stehen in der Corona-Krise mehr auf dem Prüfstand denn je. Dennoch haben wir einige Zeit überlegt, ob wir diesen Artikel veröffentlichen. Er handelt von der Krise und von unserer Überzeugung, dass man aus einer solchen Situation kein Geschäftsmodell machen sollte. Natürlich müssen auch Agenturen gerade jetzt sehen, wie sie weiterhin Geld verdienen. Aber ist es dafür erforderlich, die eigenen Werte über Bord zu werfen?

 

Wer an der Not der Menschen verdienen möchte, kann nur verlieren

Aktuell wird man alle Nase lang mit „überaus hilfreichen“ Angeboten überhäuft: kostenlose Webinare, wie Unternehmen sich in der Krise verhalten sollten, die aber am Ende der Akquise dienen und nur Häppchen mit auf den Weg geben, vermeintlich unabhängige Artikel über Agenturen in der Lokalpresse, die durch die Hintertür mit einem Angebot von Beratungsleistungen in Haus fallen und mit der heißen Nadel gestrickte PDF-Ratgeber zu einem geringen Unkostenpreis, welche „wichtigen“ Regeln man aktuell unbedingt beachten sollte – mehr dann immer auf Nachfrage. Dazu fordern einige deutsche Politiker:innen, wirtschaftliche Stabilität vor das Wohlergehen von Menschen zu stellen. Außerdem kämen sie sich von der Bundeskanzlerin „wie Kinder behandelt vor“ – vollkommen realitätsfremd.

 

Der Ernst der Lage als moralische Grundlage

Was jedoch Realität ist: Menschen sterben in großer Zahl. Omas, Opas aber auch Enkelkinder erkranken, Kinder kommen zur Welt, ohne dass beide Eltern anwesend sein dürfen, in Madrid werden die Leichname Verstorbener in Eishallen zwischengelagert, in New York werden anonyme Massengräber befüllt und der amerikanische Präsident denkt, er müsse nur von einem Krieg sprechen und Viren zum „brilliant enemy“ framen, damit seine Wähler:innen der Rethorik erliegen und damit niemandem auffällt, dass er nicht weiß, dass man Viren nicht mit Antibiotika bekämpfen kann.

 

Geld vor Menschlichkeit: es hängt zum Hals raus

Währenddessen wollen uns die üblichen Instagram-Mentor:innen verraten, mit welchen 3 EINFACHEN SCHRITTEN man GESTÄRKT aus der Krise hervorgeht und SEIN BUSINESS AUF DIE NÄCHSTE STUFE HEBT.
Es widert uns an. Es ist diese Gold- bzw. Totengräberstimmung – von Webinaren bis Instagram-Coachings – die von außen betrachtet ein schlechtes Bild auf unsere ganze Branche wirft.

 

Krise und Erkenntnisse bei FUTUR III

Aber wie soll man sich verhalten? Auf Einnahmen verzichten geht schlecht. Zugegeben: Mit FUTUR DREI trifft uns die Krise bislang weniger hart, als erwartet. Aktuell beschäftigen wir uns bei vielen unserer Kunden mit interner Kommunikation, meist Change-Kommunikation bzw. der kommunikativen Begleitung von Transformationsprozessen. Um die Herausforderungen dieser Jobs zu meistern, sind Kompetenzen erforderlich die auch jetzt in der Krise absolut relevant sind: strategisch zielgerichtete, sinn- und wirkungsvolle Kommunikation auf Grundlage sich ständig verändernder Faktoren – nur noch schneller als sonst. Andere, bspw. Agenturen mit Fokus auf Veranstaltungs- oder Reisebranche, trifft es da viel härter. Wir wagen daher nicht, uns ein Urteil über deren Situationen zu machen. Aber wir haben ggf. einen Ansatz zur Lösung.

 

Ein völlig revolutionärer, individueller Pauschalansatz: ein Mix aus Agilität und Kreativität

Die Essenz der aktuell von uns gemachten Erfahrung ist absolut klar: Wir bringen Kompetenzen in die Krise, die auch sonst zu unserem Repertoire gehören – wir mussten sie nur etwas adaptieren. Und genau das tun gerade viele Unternehmen da draußen. Nehmen wir Melitta als Beispiel: Der Produzent von Kaffeeprodukten, unter anderem von Kaffeefiltern, nutzt seine bestehenden Kompetenzen und Ressourcen, um Atemmasken zu produzieren.
Ein weiteres Beispiel ist Fynn Kliemann. Statt zu resignieren passt er sich und seine Vorhaben den Gegebenheiten an: ein dezentral durch User Generated Content kreiertes Musikvideo, Veröffentlichung und Streaming seines Films als virtuelle Charity-Aktion für lokale Kleinkinos und nicht zuletzt die Umstellung der Produktion eigener Merchandise-Klamotten auf Atemmasken zum Unkostenpreis – wer sich anpasst, überlebt und kann im Bestfall noch anderen helfen. Beispiele leben von der agilen Umsetzung kreativer Ideen und von der vereinenden Grundidee, zu helfen, wenn man kann.

 

Die Lösung: Für alle gleich, für jeden anders

Auf manche mag dieser Artikel überheblich wirken. „Warum glauben diese Jungspunde, mir erzählen zu können, was richtig ist?!“ Der Punkt ist: Das tun wir gar nicht.
Im Gegenteil: Wir sagen lediglich, dass jede:r versuchen muss, selbst kreative Lösungen auf Grundlage der eigenen Kompetenzen und Ressourcen zu finden.
Es wäre eher überheblich zu sagen, dass es keine Chancen zur Anpassung gibt. Am Ende gibt es immer eine Chance, einen neuen Weg. Und wenn noch kein Weg gefunden ist, dann ist es noch nicht das Ende.

 

Die Voraussetzung: Werft Strukturen über Bord, nicht Werte

Die Corona-Krise stellt Werte und Vision von Unternehmen auf den Prüfstand. Sie holt dabei in uns allen das Beste und das Schlechteste hervor. Entscheidet euch, wie ihr bei euren Stakeholdern in Erinnerung bleiben wollt. Wer seine Werte über den Haufen wirft, um mit der Not der Menschen Geld zu verdienen, verliert am Ende mehr als nur seine Reputation.
Vielleicht ist der Weg kostenloser Hilfe, gemeinschaftlicher Shared-Economy-Modelle und von Open-Source-Lösungen ja am Ende sogar aus ökonomischer Sicht der nachhaltigere? Wir haben gemäß dieses Credos vor einiger Zeit einen kurzen Leitfaden zur Krisenkommunikation erstellt – umfänglich, stichhaltig und zur freien Verwendung und Verbreitung. Ihr findet diesen bei uns im Blog und bei t3n.
Für uns gilt dementsprechend: Wir passen unser Verhalten der Krise an – nicht aber unsere Werte.

Datum: 15.04.2020
Autor: Jochen Heimann, Mitgründer und Geschäftsführer von FUTUR III